Persönliche Erklärung zur heutigen Abstimmung im Bundestag über den Grünen-Antrag zum Tempolimit auf Autobahnen

Persönliche Erklärung nach §31 GO BT der Abgeordneten Saskia Esken zum Abstimmungsverhalten zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Allgemeine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h auf Bundesautobahnen einführen“ (mit der Drucksachennummer 19/9948) am 17.10.2019.

Es gibt keine vernünftigen Gründe, gegen ein Tempolimit zu sein: Ein Tempolimit spart bis zu 2 Millionen Tonnen CO2 ein – und die Maßnahme kann sofort umgesetzt werden und kostet den Steuerzahler keinen Cent. Auch bietet es mehr Sicherheit und weniger Unfälle, mehr Fahrkomfort und weniger Stau. Rund 57 Prozent der Deutschen wünschen sich daher eine Beschränkung der Geschwindigkeit auf Autobahnen – auch ich zähle zu dieser Mehrheit.

Dass Deutschland dennoch das einzige EU-Land und der einzige Industriestaat weltweit ohne ein Tempolimit ist, liegt u.a. an der Union: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer setzt sich auch weiterhin für eine „Freie Fahrt für freie Bürger“ ein, und hat eine aufkeimende Diskussion in den entsprechenden Fachgremien Anfang des Jahres unverzüglich beendet. Ohne die Unionsparteien wird es allerdings in dieser Legislaturperiode keine Mehrheit für ein Tempolimit geben können, da auch FDP und AfD dagegen sind.

Im Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU haben wir uns darauf geeinigt, dass über das Verfahren und die Arbeit im Parlament Einvernehmen zwischen den Koalitionsfraktionen hergestellt wird. Beim Thema Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h auf Bundesautobahnen ist das bisher nicht gelungen, deshalb werde ich den Antrag der Grünen heute ablehnen und so den Koalitionsvertrag einhalten.

Meine Fraktion und auch ich persönlich werden uns aber weiter für ein allgemeines Tempolimit einsetzen. Bereits 2007 hat die SPD einen entsprechenden Beschluss für ein Tempolimit gefasst, bisher hat ihr aber die Durchsetzungskraft gefehlt, diese wichtige Forderung auch in Regierungshandeln umzusetzen.

Saskia Esken, MdB

Berlin, den 17.10.2019

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Kommentare

Kommentar von Emöke Kovac |

Danke für die ehrliche Erklärung. Dass der Koalitionsvertrag höher steht als die Vernunft, die Verantwortung und auch als die Mehrheit, das ist echt bezeichnend. So einem Abstimmungsverhalten kann man nicht einmal Machthunger vorwerfen, denn Macht sollte ja wohl auch Gestaltungsmacht bedeuten, und die ist offensichtlich nicht gegeben, wenn ohne "vernünftige Gründe" gegen das eigene Gewissen gestimmt wird. Wozu ist dann die Einhaltung des Koalitionsvertrags nütze?
Könnten Sie sich nicht BITTE mit Ihren Genossinnen zusammentun, Mut beweisen, vielleicht sogar einige Christ(demokrat)en zum Schöpfungbewahren auffordern? Was ist denn das für eine politische Haltung, was für ein Signal wird da gesendet -- ändern können wir eh nichts, das Klima muss halt bis zur nächsten Wahl warten?
Enttäuschte Grüße, Emöke Kovac

Kommentar von Hannes Hase-Bergen |

Liebe Saskia,

wenn ich ehrlich bin, habe ich mit so einer - oder sehr ähnlichen Reaktion gerechnet: "Im Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU haben wir uns darauf geeinigt, dass über das Verfahren und die Arbeit im Parlament Einvernehmen zwischen den Koalitionsfraktionen hergestellt wird".

Kurzform: "Koalitionsräson"

Und wieder ist es unsere SPD, die klein beigibt. Wieder sind es SozialdemokratInnen, die ihre eigenen Entwürfe zugunsten dieser "Koalitionsräson" über Bord werfen.

Dieser Vorgang zeigt einmal mehr, welches Gift diese Koalition mit einer "Christen"Union für uns ist. Mit einer Union, die selbst offenbar ü b e r h a u p t keine Probleme hat, Verträge und Regeln in einer Koalition mit uns zu brechen. Siehe z.B. seinerzeit Thema "Glyphosat-Verlängerung", wo Ex MfLW C.Schmidt entgegen den Regularien (wenn es mit dem Umweltschutzministerium keine Übereinstimmung gibt - Enthaltung) einfach mal für eine Verlängerung gestimmt hat. Siehe z.B. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/glyphosat-christian-schmidts-solo-und-die-folgen-a-1180690.html

DA gab es dann keine Koalitionsräson. Um nur mal e i n Beispiel zu nennen.

Was soll da noch alles zu Gunsten dieser "Koalitionsräson" geopfert und an unseren sozialdemokratischen Entwürfen in den Müll geworfen werden?

Merkt man in Berlin wirklich nicht, das man sich so immer weiter von den potentiellen WählerInnen entfernt? Sich auch das letzte vielleicht noch vorhandene Stückchen Verlässlichkeit und Zutrauen in eine getroffene Programmaussage vor den WählerInnen verscherzt?

Lieber "Koalitionsräson" als "hinter der eigenen Programmatik stehen"?

Wenn die nächsten Wahlkämpfe kommen, und wir uns als SPD auch und gerade zum wichtigen Thema "Klima" positionieren müssen, haben wir nun ein zusätzliches Glaubwürdigkeitsproblem:
"Wie jetzt? Ihr als SPD redet vom Klima und dessen Schutz? Und schafft es nicht einmal, für eine so einfache Maßnahme wie eine Geschwindigkeitsbegrenzung (mit all ihren klimatologisch positiven Auswirkungen) zu stimmen? Euch soll ich wählen? Nee, lasst mal". Das uns die Medien dieses Abstimmungsverhalten nett aufs Brot schmieren werden - geben wir uns keinen Illusionen hin - das muss man einplanen, wenn man so abstimmt.

So etwas wird kommen. Vielleicht in anderen Worten. Aber mit eben d i e s e m Inhalt. Und wir an der Basis stehen am Wahlstand erneut in der Defensive und können bei den BürgerInnen wieder nur um Entschuldigung bitten, mit der sehr dünnen Erklärung "Koalitionsräson".

Die Grünen wird es freuen, ob solch einer unerwarteten wie unnötigen Unterstützung aus unseren Reihen.

Sehr bitter. Und ein Eigentor. Wieder mal.

Enttäuschte Grüße Hannes (OVV SPD Stuttgart-Untertürkheim)

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