Persönliche Erklärung zur heutigen Abstimmung im Bundestag über ein humanitäres Aufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Asylsuchende aus Griechenland

Persönliche Erklärung der Abgeordneten Saskia Esken zum Abstimmungsverhalten nach § 31 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Humanitäres Aufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Asyls

Die Zustände in den Aufnahmeeinrichtungen auf den griechischen Inseln sind unbestritten katastrophal und untragbar. Dabei sehen wir auch, dass die Kämpfe in Idlib die humanitäre Lage in Syrien weiter verschärfen und erneut viele Menschen zur Flucht Richtung türkische Grenze zwingen. Europa und die internationale Gemeinschaft müssen darauf schnell reagieren und bereit sein, weitere humanitäre Hilfe für die Menschen in Idlib und die Geflüchteten in der Türkei zu leisten.

So schnell wie möglich brauchen wir eine Lösung für die Geflüchteten in Griechenland. Unser Ziel ist es, einen Schritt in Richtung einer europäischen Lösung zu gehen, an der sich wenigstens ein paar andere europäische Staaten beteiligen. Inzwischen hat sich mit Frankreich, Portugal, Finnland und anderen bereits eine nennenswerte Gruppe von Staaten zu einer gemeinsamen Aufnahme besonders Schutzbedürftiger bereit erklärt.

Das Engagement aufnahmebereiter Bundesländer, Städte und Gemeinden begrüße ich und freue mich ganz besonders über die nochmalige gemeinsame Initiative der SPD-geführten Länder, die sich heute zur Aufnahme minderjähriger Geflüchteter bereit erklärt haben.

Ich erwarte von der deutschen Bundesregierung, dass sie jetzt zusammen mit diesen Staaten die Aufnahme dringend in die Wege leitet. Bundesinnenminister Seehofer muss heute beim Innenministerrat in Brüssel nachdrücklich für eine „Koalition der Vernunft“ werben und konkrete Maßnahmen zur gemeinsamen Aufnahme dieser besonders Schutzbedürftigen auf den Weg bringen. Die Entscheidung des Bundestags über einen nationalen Alleingang am heutigen Tage halte ich in diesem Zusammenhang für nicht zielführend.

Im Vertrauen darauf, dass die Bundesregierung diese Verhandlungen mit allem Nachdruck verfolgt, lehne ich den vorliegenden Antrag ab.

Wir dürfen weder die Menschen in Griechenland noch die griechische Regierung mit diesen Herausforderungen alleine lassen. Die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft. Wir müssen deshalb weg vom Prinzip der Zuständigkeit des Ersteinreisestaates. Wir brauchen eine gerechte und solidarische Verteilung geflüchteter Menschen auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Nur so schaffen wir dauerhaft eine Entlastung der Staaten an den EU-Außengrenzen und somit auch insbesondere Griechenlands. Daran arbeiten wir auf EU-Ebene mit Hochdruck. Mit unserem gemeinsamen Handeln zur Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland machen wir einen notwendigen humanitären Schritt. Unser Ziel bleibt es, dass sich am Ende alle europäischen Mitgliedstaaten in diese Solidarität einbringen.

Ebenso wichtig ist mir, dass wir schnell eine dauerhafte Verbesserung der Verhältnisse in den griechischen Hot Spots erreichen. Ein Weg könnte sein, dem UNHCR die operative Verantwortung zur Leitung der Flüchtlingszentren zu übertragen. Ein erster Schritt zur Verbesserung der Situation in Griechenland könnte die Entwicklung eines Pilotmodells für ein gemeinsam betriebenes europäisches Asylzentrum auf den griechischen Inseln sein. Für eine grundsätzliche Lösung brauchen wir eine Neuausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik und des gemeinsamen europäischen Asylsystems.

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Kommentare

Kommentar von Jürgen Nellen |

Liebe Saskia,
ich habe den Kommentar sorgfältig gelesen, im Tenor gleich anderen Kommentaren aus der Fraktion, wie z.B. Elvan Korkmaz aus meinem Wahlkreis und OV. Die Abstimmung war ja eindeutig: alle Fraktionen dafür außer Linke und die Grünen. Dafür hieß Ablehnung des Antrags der Grünen.
Nun ist das Geschehen durch Corona in den Hintergrund getreten, die Wahnsinnsbilder aus den betroffenen Gebieten in Griechenland, die ja, was die Lager angeht, seit 5 Jahren so beschaffen sind wie heute, sind aber geblieben, haben sich noch verschlimmert. Ich frage mich, ob ich der Partei, die als Regierungspartei das Elend mitzuvertreten hat, noch angehören kann.
Eine europäische Lösung ist das Eine, seit 5 Jahren wird sie gefordert und nicht annähernd erreicht, ohne irgendeine Aussicht auf Änderung. Die humanitäre Frage ist eine ganz andere. Da vegetieren die Menschen unter unsäglichen Bedingungen dahin, Europa, die EU, ist nicht imstande, diese humanitäre Katastrophe auch nur im Ansatz zu lösen. Begündung: keine europäische Gesamtlösung. Nun kommt die faktische Abschaffung des Asylrechts und der Genfer Flüchtlingskonvention an der griechischen Grenze dazu. Europäische Werte, die Grundlage unseres Gemeinwesens und des Friedensnobelpreises, haben sich verflüchtigt. Und das ist eine neue, schauerliche Qualität, die den bisherigen unhaltbaren Zustand noch toppt.
Ich bin in die SPD vor über 40 Jahren unter ganz anderen Verhältnissen eingetreten. Da waren Menschenrechte, lebbare Bedingungen durch Reformen und Annäherung im Kalten Krieg gegen massive Widerstände die Essenz unserer Partei. Seit Gerhard Schröder hat sich allmählich und schleichend eine neoliberale Grundlinie entwickelt, die ich für das Erstarken der Rechten mitverantwortlich mache und die sich unaufhaltsam weiterentwickelt. Die Angst vor den rechten Faschisten ist zugleich deren Treibstoff, und wir verfügen offenbar nicht über die erforderliche soziale Intelligenz, ganz andere Wege zu gehen.
Und da bin ich wieder bei den "europäischen Werten". Der Grund für die Ablehnung der bedingungslosen Aufnahme der ärmsten Teufel, unbegleitete Kinder, kranke und mißhandelte Menschen, ist -wieder einmal- die wohlfeile Ausrede, es fehle an einer europäischen (Teil-)Lösung. Seit Jahren hätten wir als regierungbeteiligte Partei den Zustand im EU-Land Griechenland ändern müssen und können. Wenn nicht mit Europa, dann eben ohne. Das hätte Wirkung gezeigt. Und es hätte unsere sozialdemokratischen Fundamentalwerte wieder in Erinnerung gebracht. Die Schröderschen "Reformen" und die mehrfache GroKO haben die 150jährige Substanz unserer SPD regelrecht zerfressen.
So ist die SPD - wieder einmal - Handlungsgehilfe innerhalb dieser unsäglichen GroKo und bei der bewaffneten Abwehr der aus der Türkei vertriebenen Flüchtlinge behilflich.
Ich grüße deprimiert
Jürgen Nellen, OV Rheda-Wiedenbrück

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