Saskia Esken: „Mindestlohn ist ein Erfolg“

Die SPD-Bundestagsabgeordnete hat mit ihrer Abgeordnetenkollegin Katja Mast und dem DGB-Kreisverbandsvorsitzenden Stefan Kirschbaum über die Auswirkungen des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie berichtet und eine erste Bilanz gezogen.

V.l.n.r.: Katja Mast, Stefan Kirschbaum, Saskia Esken, Adem Akkaya, Daniel Steinrode, Katrin Heeskens (Foto: Ralf Recklies)

BAD LIEBENZELL. Der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde, eingeführt zum Jahresbeginn 2015 und damit gerade einmal ein halbes Jahr alt, wird von den Fachleuten ebenso wie von einer überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung begrüßt. „In seinen Wirkungen auf die Binnenkonjunktur, die Sozialhaushalte und den Wettbewerb ist der Mindestlohn schon heute als Erfolg zu bezeichnen“, resümierte die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken am Ende einer von ihr initiierten Informations- und Diskussionsveranstaltung zum Thema Mindestlohn im Bad Liebenzeller Kurhaus.

Esken zog dort gemeinsam mit ihrer Abgeordnetenkollegin Katja Mast aus Pforzheim/Enzkreis und mit Stefan Kirschbaum, Vorsitzender des DGB-Kreisverbandes Calw, ein halbes Jahr nach der Einführung des Mindestlohns eine erste, vorsichtige Bilanz. „Ich finde den umfangreichen Dialog, den Arbeitsministerin Andrea Nahles im Vorfeld und jetzt nach der Einführung des Mindestlohns führt, sehr beeindruckend. Wo immer sich Probleme ergeben, wird offen diskutiert und nach Lösungen gesucht“ machte Esken deutlich. Dabei stünden der Mindestlohn selbst sowie die erforderliche Kontrolle aber nicht zur Debatte. „Bundesweit profitieren rund 3,7 Menschen vom Mindestlohn, es wurde die Binnenkonjunktur gestärkt und der Staat muss deutlich weniger Sozialleistungen tragen“, wie die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Katja Mast im Rahmen der Veranstaltung in der Reihe „Fraktion vor Ort“ unter dem Motto „Lohndumping ade: Ein halbes Jahr Mindestlohn“ deutlich machte.

In den Landkreisen Calw und Freudenstadt profitieren nach einer Schätzung des Hamburger Pestel-Instituts rund 30.000 Frauen und Männer vom Mindestlohn, und es ergibt sich ein zusätzliches jährliches Kaufkraftpotenzial von 60 Millionen Euro – „eine große Zahl von Arbeitnehmern und für die regionale Wirtschaft keine ganz unerhebliche Summe“, wie Esken findet.

Um eine echte Bilanz zu ziehen, darauf verwies Katja Mast, „ist es natürlich noch zu früh“. Dies könne frühestens nach zwölf Monaten geschehen. Dennoch seien die ersten Zahlen sehr positiv: Der Umsätze im Einzelhandel sind gestiegen, die Sozialhaushalte sind allein im SGB II um geschätzte 900 Millionen Euro entlastet, weil es 55000 weniger sogenannte Aufstocker gibt, die ergänzend zu ihrem Verdienst Sozialleistungen erhalten müssen.  „Den von den Kritikern an die Wand gemalten Abbau von Arbeitsplätzen hat es nicht gegeben“, so Mast, und der vielfach kritisierte Dokumentationsaufwand, der eine Kontrolle und damit die Durchsetzungsfähigkeit des Mindestlohns erst ermögliche, sei nun wirklich nicht so hoch, dass er den Unternehmen Sorgen bereiten müsse. Ein einfacher Aufschrieb reiche vollkommen aus, „und es gibt inzwischen vom Arbeitsministerium sogar schon eine App fürs Handy“, so Mast. Mit dieser sei die Dokumentation der Arbeitszeit ganz schnell und einfach erledigt.

Eines sei hingegen durch die Dokumentationspflicht beim Mindestlohn insbesondere im Hotel- und Gaststättengewerbe, aber auch in anderen Branchen deutlich geworden, so Esken: „Das im Jahr 1994 – übrigens von einer schwarz-gelben Regierung - verabschiedete Arbeitszeitgesetz, das beispielsweise die maximal erlaubte Arbeitszeit pro Tag und Woche regelt, ist in den vergangenen 21 Jahren hier kaum beachtet, aber auch kaum kontrolliert worden“. „Das ist aber kein Grund, gegen den Mindestlohn zu agitieren“ machte Esken deutlich. Dagegen sei es nach mehr als 20 Jahren durchaus legitim, darüber zu diskutieren, ob die Regeln des Arbeitszeitgesetzes praxistauglich seien, auch wenn der Schutz der Arbeitnehmer ein hohes Gut sei, so Esken. Auch habe eine breite Debatte darüber begonnen, wie die Regulierung der Arbeitszeit in die digitalisierte Arbeitswelt passt, wo flexible und geteilte Arbeitszeiten und –orte möglich würden.

Dass sich der zehn Jahre währende Kampf mit dem DGB für die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns gelohnt hat, daran hat Katja Mast keine Zweifel. Es sei zwar viel Überzeugungsarbeit notwendig gewesen, den Mindestlohn im Koalitionsvertrag mit der Union zu vereinbaren, „aber der Einsatz hat sich gelohnt“, freut sich Mast. Dass der aktuelle geltende Betrag von 8,50 Euro nur ein Anfang sein könne, stehe außer Frage. Nicht die Bundesregierung oder der Bundestag gäben künftig aber vor, wie hoch der Mindestlohn zu sein habe, sondern eine unabhängige Kommission.

Für Stefan Kirschbaum ist der Mindestlohn ebenfalls eine gute Sache, auch wenn noch eine breite Informationskampagne nötig sei, damit alle Arbeitnehmer und Arbeitgebern wüssten, welche Mindestlohnansprüche und -verpflichtungen es gibt. Und Kirschbaum macht zudem deutlich, dass das Gesetz wie viele andere Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmer ohne „Kontrolle und Durchsetzung“ wirkungslos sei. In diesem Zusammenhang forderte er, dass „endlich ein Verbandsklagerecht“ zugelassen werden müsse. Der Mindestlohn selbst, da ist der Gewerkschafter mit Esken und Mast einer Meinung, „ist kein Jobkiller, wie viele geunkt haben, sondern eine Erfolgsgeschichte“.   

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