Nagold. Deutschland hat eine alternde Bevölkerung. 2024 waren fast 20 Millionen Menschen 65 Jahre und älter. In einer Welt, die sich durch neue Kriege und Verschiebungen der geopolitischen Strukturen, aber auch durch den digitalen Wandel gefühlt immer schneller dreht, ist es bedeutsam, dass die Politik alle Generationen in den Blick nimmt. Über die sich daraus ergebende Seniorenpolitik hat sich Saskia Esken mit dem Kreisseniorenrat des Landkreises Calw ausgetauscht.
Der Generationenkonflikt zwischen Alt und Jung ist wegen der Rentendebatte gerade in aller Munde. Doch die Abwägung der Interessen aller Generationen, Lebensumstände und Himmelsrichtungen ist für die Politik eine bekannte, wenn auch erhebliche Herausforderung. Stets droht die Gefahr, dass eine Seite das Gefühl entwickelt, nicht ausreichend genug gehört zu werden. Von hoher Bedeutung ist deshalb für Esken ist der regelmäßige Austausch mit den gesellschaftlichen Gruppen in ihrem Wahlkreis.
So bemängelten die Mitglieder des Kreisseniorenrats gegenüber Esken die unzureichende Berücksichtigung bei kommunalpolitischen Entscheidungen. Da Seniorenpolitik keine Pflichtaufgabe der Kommunen sei, fehle es in diesem Bereich besonders häufig an Geld. Esken zeigte Verständnis für die schwierige Finanzlage der Kommunen. Gleichzeitig stehe aus dem Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur auch den Landkreisen, den Städten und Gemeinden zusätzliches Geld zur Verfügung. „Wofür die Kommunen dieses Geld im Haushalt einplanen, das muss mit den Bürgerinnen und Bürgern und in den Kommunalparlamenten beraten werden“, so die Bundestagsabgeordnete.
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum auch im ländlichen Raum bereitet auch älteren Menschen Sorgen. Akut wird die Situation, wenn die körperliche Leistungsfähigkeit nachlässt und die angestammte Wohnung zu groß wird. Spätestens wenn häusliche Pflege notwendig wird und Barrierefreiheit angezeigt wäre, wird klar, dass das Älterwerden im gewohnten häuslichen Umfeld schwierig wird.
Esken machte dazu deutlich, wie wichtig es sei, sich frühzeitig mit der Frage zu beschäftigen, wie man im Alter leben möchte. „Zum Verbleib im viel zu großen Einfamilienhaus gibt es viele gute Alternativen, die es frühzeitig in Betracht zu ziehen lohnt.“ Je früher eine der Lebenssituation ohne Kinder angepasste Wohnsituation angestrebt werden, desto leichter falle es, noch einmal heimisch zu werden. „So ist es viel eher möglich, so lange wie möglich in der gewohnten Umgebung zu bleiben – und das wünschen wir uns doch alle. Und die Pflege kann dann auch ambulant und bezahlbar bleiben.“ Laut dem Vorsitzenden des Kreisseniorenrats Calw, Eberhard Fiedler, bietet der Kreisseniorenrat seit rund 20 Jahren durch geschulte Fachbeiräte Wohnberatung an, die genau diese Fragen vor Ort thematisiert. Nicht Wunschdenken, sondern zwingend: es müssten altersgerechte Wohnungen von den Gemeinden verstärkt in Bebauungsplänen berücksichtigt werden.
Auch der Fachkräftemangel im Arztberuf beschäftigt die Seniorinnen und Senioren. Ihr Unverständnis äußerten sie besonders darüber, dass trotz des Mangels gerade im ländlichen Raum weiter an der strengen Zulassungsbeschränkung für das Medizinstudium festgehalten werde. „Dazu kommt, dass der Mangel die Ungerechtigkeit der Zweiklassen-Medizin immer offensichtlicher macht. Wer nicht privat versichert ist, hat bei der Terminvergabe oft das Nachsehen“, fügte Esken hinzu. Die Politik müsse für mehr Studienplätze sorgen. Als Antwort auf den Fachkräftemangel in medizinischen Berufen reiche das allein aber nicht. „Wir müssen auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass junge Ärzte und vor allem Ärztinnen nach der Familiengründung im Beruf bleiben können.“ In einer Landarztpraxis allein auf weiter Flur zu arbeiten, komme für die jungen Leute kaum infrage. Stattdessen seien Medizinische Versorgungszentren (MVZ) eine gute Alternative. Zudem müssten die Potenziale einer Zuwanderung mit oder in Qualifikation noch mehr genutzt werden.
Esken bedankte sich bei den Mitgliedern des Kreisseniorenrats Calw für den regen Austausch. „Ich schätze Ihre Arbeit und es ist wichtig, dass Sie den Finger heben!“ In vielen Fragen sei es falsch, von einem Generationenkonflikt zu sprechen, so Esken. Gelungene Seniorenpolitik komme nicht nur einer Gruppe zugute. Von mehr Barrierefreiheit zum Beispiel profitieren neben Senioren auch Mütter mit Kindern und Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen. Esken ist es wichtig, stets das Verbindende zwischen den Generationen herauszuarbeiten. „Das gilt auch beim Thema Rente. Von den Maßnahmen zur Sicherung und Stabilisierung der gesetzlichen Rente profitiert nicht nur die Boomer-Generation. Es ist auch für die junge Generation wichtig, dass sie sich künftig auf den Generationenvertrag der Rente verlassen kann.“ Dieser habe Krisen und Weltkriege unbeschadet überstanden und sei es wert, gepflegt und für die Zukunft fit gemacht zu werden, so die Abgeordnete.
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