Esken: „Wir brauchen eine Kultur des Dagegen-Haltens“

Die SPD-Bundestagsabgeordnete sprach mit Mitgliedern der Initiative „Omas gegen Rechts“ über die Rolle der Zivilgesellschaft im Kampf gegen Diskriminierung, Rassis-mus und Rechtsextremismus.

Bildnachweis: Dietmar Wadewitz

NAGOLD/BERLIN. Ob es für die politische Entscheidungfähigkeit der Bürger*innen ein Mindestalter gibt und welches das richtige ist, wird gerade bei der Debatte um die Absenkung des Wahlalters diskutiert. Dass Bürger*innen jedenfalls nie zu alt sind für politisches Engagement, das zeigen die „Omas gegen Rechts“ eindrucksvoll. Die Initiative, die 2017 in Österreich begann und seit Januar 2018 auch in Deutschland aktiv ist, setzt sich für die Erhaltung der parlamentarischen Demokratie und gegen jede Art von Diskriminierung, faschistische Tendenzen, Rassismus und gegen Sozialabbau ein. „Wer in der Demokratie einschläft, wacht in der Diktatur wieder auf“, lautet das Motto des Vereins. Der deutsche Ableger von „Omas gegen Rechts“ hat seine Keimzelle in Nagold, wo die Initiatorin, Anna Ohnweiler, auch lebt. Das war für Saskia Esken, Bundestagsabgeordnete aus Calw und Freudenstadt, Anlass genug, sich in einer Telefonkonferenz mit Mitgliedern der Initiative auszutauschen.

Ohnweiler und die weiteren Vertreter der Initiative machten ihre Sorge um das Erstarken von rechtsradikalen und rassistischen Tendenzen in Deutschland deutlich. Zwar habe es auch früher Vorurteile gegenüber Minderheiten gegeben, diese wurden aber selten offen kommuniziert. „Der Bodensatz für Diskriminierung und Rassismus ist schon immer dagewesen, aber jetzt werden dementsprechende Aussagen laut und in der Öffentlichkeit getätigt. Dagegen muss man verstärkt und ebenfalls laut und deutlich vorgehen“, sagte Helga Mühleisen aus Nagold. Ohnweiler fügte hinzu: „Die AfD spielt eine große Rolle, diese Vorurteile salonfähig zu machen. Das machen sie, indem sie bei ihren Reden und Äußerungen, auch im Bundestag, diese diskriminierende Sprache verwenden“.

Esken pflichtete dem bei. Die „Mitte-Studie“, die die Friedrich-Ebert-Stiftung regelmäßig in Auftrag gibt, arbeitet immer wieder heraus, dass bis zu einem Drittel der Bevölkerung Ressentiments gegen Minderheiten pflegen. „Auch wenn viele sich gegen Hass und Diskriminierung in der Gesellschaft einsetzen, beobachten wir leider in einem Teil der Bevölkerung eine Verstärkung diskriminierender Grundhaltungen“, so Esken. Man müsse eine Kultur des Dagegen-Haltens entwickeln, sowohl im politischen Betrieb und im Parlament als auch in der Gesellschaft. „Die Politik kann das nicht alleine regeln. Unsere Gesellschaft braucht eine starke Zivilgesellschaft und jede Menge Zivilcourage, wie sie die Omas gegen Rechts vorleben“, so die SPD-Parteivorsitzende.

Esken sprach in diesem Zusammenhang auch von Anstrengungen seitens der Bundesregierung, gegen Rassismus und Rechtsextremismus in Deutschland vorzugehen. Der dafür eigens eingerichtete Kabinettsausschuss hat Ende November 2020 ein umfangreiches Maßnahmenbündel beschlossen, darunter besonders herausragend das Demokratiefördergesetz, das die dauerhafte Förderung und Finanzierung zivilgesellschaftlicher Projekte zum Ziel hat. Ebenso enthalten sind die Stärkung der Forschung und des Monitorings von Rassismus sowie eine Studie zum Rassismus bei der Polizei. „Ich finde, dass wir mit dem Beschluss einen guten Erfolg erzielt haben. Unser Vizekanzler Olaf Scholz und die Minsiterinnen Giffey und Lambrecht haben das gut verhandelt“, so Esken. Die SPD stünde bei dieser Frage im engen Kontakt mit der Wissenschaft, aber vor allem auch mit Migrantenverbänden und Betroffenen von rechtsextremer Gewalt, erläuterte die SPD-Parteivorsitzende.

Die Mitglieder von Omas gegen Rechts sprachen in der Telefonkonferenz über ihre besondere Rolle: Als Großeltern hätten sie einen besonderen Zugang zu Enkelkindern. Sie könnten mit ihnen über politische Themen anders reden als die Eltern oder ihre Altersgenossen. „Man muss die jungen Leute daran erinnern, wie schrecklich es war, als Deutschland von Nazis beherrscht wurde. Leider geht die Erinnerung an die Schrecken der Nazi-Zeit und des Krieges nach und nach verloren“, so Mühleisen. Ohnweiler fügte hinzu, dass die Mitglieder der Initiative bei Veranstaltungen oder Demonstrationen mit anderen Menschen ins Gespräch kommen. Sie wollten so dazu beitragen, dass sich die Gesellschaft mit Themen wie Rassismus und Diskriminierung beschäftigt.

Esken zeigte sich beeindruckt. „Ihr seid super gut informiert und reflektiert. Ihr macht wertvolle pädagogische Arbeit und leistet einen tollen Beitrag zur politischen Bildung“, so die Bundestagsabgeordnete. Es sei wichtig, die Menschen immer wieder daran zu erinnern, dass Demokratie und Frieden, die wir in Deutschland seit mehr als 70 Jahren ununterbrochen genießen, keine Selbstverständlichkeit seien. „Nichts kommt von selbst, und wenig ist von Dauer – diese Worte von Willy Brandt haben eine tiefe Wahrheit. Wir müssen uns immer wieder dafür einsetzen!“

Angefangen hat die Initiative der Omas gegen Rechts in Deutschland als Facebook-Gruppe. Mittlerweile gibt es ein Netzwerk von mehr als 100 Gruppen in ganz Deutschland, seit 2020 ist man als Verein eingetragen. „Es machen auch Opas mit“, ergänzten die Mitglieder Elvira und Helmut Luckert. Circa 30 Prozent der Mitglieder seien Opas. Ohnweiler erinnerte aber auch daran, dass das Finanzamt dem Verein bisher die Gemeinnützigkeit verwehrt habe, da nach jetziger Gesetzeslage Vereine mit politischen Zwecken nicht gemeinnützig sein können. Esken kannte die Problematik bereits aus anderen Zusammenhängen und versprach, sich politisch dafür einzusetzen, dass die Anerkennung doch noch gelinge.

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