barcamp von #digitalLEBEN

(C) Lavinia Steiner

Generation Gap - wie können Digital Natives, Digital Immigrants und Offliner mit digitalen Medien gemeinsam lernen und arbeiten? Und wie könnte das den Unterricht an der Schule verändern? Das hatten Lorenzo Tural und ich uns als Thema einer Session beim Barcamp des SPD-Programmprozesses #digitalLEBEN am vergangenen Samstag in Berlin vorgenommen.

Lorenzo Tural, mit 13 Jahren mit Abstand das jüngste Mitglied der netzpolitischen Initiative D64 e.V., ist als @lorenzotural in den social media aktiv, und von seiner vielbeachteten Session bei der re:publica 2014 gibt es ein youtube-Video. Dort erzählt er, wie er das Internet für sich entdeckt hat und wie er dann seiner Tante und anderen die Nutzung von facebook und anderer Medien beigebracht hat.

Im Gespräch mit mir und den Teilgebern der Session wollte Lorenzo darüber sprechen, wie schwierig sich Dialog und Kollaboration zwischen seiner Generation und der der Immigrants und Offliner manchmal gestalten. Und wie notwendig das zu verbessern wäre, um gute, fächerübergreifende Medienbildung oder wie Lorenzo das nennt, kohärentes Lernen in der Schule zu ermöglichen.

Angeregt durch meine Fragen nach der privaten und der schulischen Medien- und Internetnutzung der Schüler_innen auf der einen und die der Lehrkräfte auf der anderen Seite entspann sich schnell ein Interview der besonderen Art, denn die Erwachsenen hatten die Fragen und der Schüler Lorenzo Tural erklärte seine Sicht seiner Welt – der Schule.

Dabei wurden die Erwartungen der Erwachsenen erstmal nicht erfüllt. Zu meiner Frage, wie das laufe, wenn die Schüler_innen sich verabreden wollten, was war da die Erwartung? Diese jungen Leute chatten stundenlang hin und her, bevor sie endlich … zu keinem Ergebnis kommen. Lorenzo Tural antwortete trocken: „Ach, da telefoniert man am besten – das geht am schnellsten.“ Und auf die Frage, wie man herausbekomme, wo eine gute Eisdiele ist, kam nicht etwa „Google maps“, wo alle Eisdielen zu finden sind, sogar mit Bewertung … sondern: „Also, in meiner Stadt weiß ich eigentlich, wo die Eisdielen sind und ob die gut sind.“

Auch Hausaufgaben macht Lorenzo entgegen der Erwartung ganz analog und ohne das Internet zu nutzen. Um Unterrichtsstoff zu verstehen, der in der Schule nicht gut genug erklärt wurde, um auf Klausuren zu lernen oder für ein Referat zu recherchieren, nutzen Lorenzo und seine Mitschüler dann schon das Netz, z.B. gute Erklärvideos auf Youtube – „komischerweise gibt es für jedes Bundesland ein anderes Mathebuch, dabei ist das einzelne Thema doch dasselbe, und dazu können die Leute dann Erklärvideos machen, die man überall nutzen kann“. Auch die Texte der Wikipedia seien sehr hilfreich, auch wenn man die erst so etwa ab 12 Jahren aufwärts verstehen könne – und auch dann braucht man oft noch die Hilfe der Eltern. Leider habe die Wikipedia habe bei Lehrkräften keinen allzu guten Ruf, weil viele nicht wüssten, wie viele kompetente Leute da regelmäßig mitarbeiten. Interessant auch, wie das mit der Zusammenarbeit bei den Schülern organisiert wird: „Naja, da skypen wir halt oder machen ein Hangout.“

Die Erwachsenen, die Lehrkräfte zumal, nutzen die Medien nach Lorenzos Wahrnehmung viel weniger, möglicherweise zur Unterrichtsvorbereitung, aber leider faktisch gar nicht im Unterricht – obwohl die allermeisten Lehrkräfte sicher einen Computer und auch ein Smartphone besitzen und das Kinoprogramm sicher auch bequemer bei Google herausfinden als in der Zeitung.

Eine Zusammenarbeit unter Lehrkräften, mit oder ohne hangout – das konnte Lorenzo sich gar nicht vorstellen. Lehrkräfte arbeiten nach seiner Wahrnehmung jeder und jede für sich. Auf großes Interesse stieß da der Hinweis von Saskia Esken auf das educamp, bei dem sie Lorenzo kennengelernt hatte, oder den edChat (www.edchat.de) , einen rasanten Twitter-Chat zu Themen rund um die (digitale) Bildung, der Austausch und Vernetzung sogar über Lehrerzimmer-Grenzen hinaus ermöglicht.

Zum Thema Datenschutz glaubt Lorenzo, dass Schüler hinreichend kompetent seien – „das bringen wir uns selbst bei“. Er sei durch die re:publica und andere Auftritte ohnehin bekannt, da sei ohnehin nicht mehr viel Hoffnung auf Anonymität. Er habe aber „nichts im Netz, was ich nicht im Netz haben will.“

Unterricht mit und für digitale Medien – so etwas gibt es an Lorenzos Schule außerhalb von dem Fach Wirtschaftsinformatik faktisch gar nicht. Viele der Anwesenden, die für mehr Medienbildung und informatorische Grundbildung an Schulen plädierten, fühlten sich bestätigt – an deutschen Schulen passiert diesbezüglich einfach immer noch viel zu wenig – laut der internationalen Studie über Computer- und Internetkenntnisse ICILS ist Deutschland beim Einsatz digitaler Medien in der Schule sogar Schlusslicht.

Weil bei BYOD (bring your own device), der Einsatz schülereigener Geräte, aus dem Publikum das Potential der Diskriminierung angesprochen wird, erzählt Lorenzo, dass in seiner Klasse zwei Schüler_Innen kein Smartphone hätten – bei einem ist es gerade kaputt, der andere sagt, er wolle keines.

Der verstärkte Einsatz von Smartphones und digitalen Medien hängt nach Lorenzos Wahrnehmung am fehlenden Vertrauen der Lehrkräfte in die Schüler_innen. Und die Gefahren des Internets werden nach Lorenzos Wahrnehmung total überhöht – um über Cybermobbing aufzuklären, käme extra die Polizei an die Schule.

Während die meisten Anwesenden ein Smartphone-Verbot an Schulen problematisch fanden, vor allem weil man die Geräte ja auch sinnvoll einsetzen könnte, fand Lorenzo das egal, denn „Wir halten uns da sowieso nicht dran. Dann ist da Handy halt lautlos gestellt, aber trotzdem haben wir es dabei und es ist an.“  Und wenn die Schulen versuchen würden, die Smartphones der Schüler_innen zu überwachen, dann „finden wir Wege, das zu umgehen, keine Sorge.“

 „Wenn die Lehrer den Schüler_innen mehr vertrauen und mehr zutrauen würden, dann könnte zusammen mehr erreichen.“  Mit digitalen Medien unterstützt könnte man nach Lorenzos Vorstellung seine Vorstellung vom „kohärerenten Lernen“ umsetzen und eben viel mehr themenbezogen und weniger nach Fächern gegliedert lernen.

Zum Abschluss schien es mir passend, den didaktischen Appell vom Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, zu zitieren: „Einfach mehr Kontrollverlust wagen“.

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